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Bericht fächerübergreifenden Unterrichtstage 30.01.-01.02. - Klasse 9c

04.03.2024

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ – dieses zentrale Prinzip der Menschenrechte, fest verankert in unserem Grundgesetz, ist für viele von uns heute selbstverständlich. Warum das nicht immer so war, konnten die Schüler an zwei Tagen in der Gedenkstätte Zuchthaus-Görden in Brandenburg an der Havel erfahren. Unterstützt wurden wir dabei an beiden Tagen von der gedenkstättenpädagogischen Mitarbeiterin Susanne Schäffner-Krohn und ihren Mitarbeitern.

Der erste Tag startet mit einem interaktiven Positionsspiel, das die Schüler dazu ermutigt, über ihre bisherigen Erfahrungen mit Gedenkstätten zu berichten. An diesem Ort eine Gedenkstätte? Viele Schüler hatten hier nur die JVA Brandenburgs verortet, aber keine Gedenkstätte. Durch weitere gezielte Ja- und Nein-Fragen wurde die Sensibilität für das Thema geweckt. Am Dienstag sollte es um die Zeit des Zuchthauses im Nationalsozialismus gehen. Für die Einführung in das Thema hatten die Schüler die Chance, sich gemeinsam mit Frau Schäffner-Krohn wichtigen Begriffen, Personen und Daten auseinanderzusetzen, um eine Basis für die weiteren Stunden zu entwickeln. Im Anschluss konnten die Schüler zunächst alleine durch die Ausstellung gehen: Stellen, die sie interessant finden oder worüber sie mehr wissen wollten, konnten mit einem Post-It versehen werden. Hier sollte in der Führung genauer eingegangen werden.  Die Schüler erfuhren hier viel über die pseudowissenschaftliche Kriminalbiologie der Nationalsozialisten sowie die Auswirkungen des Regimes auf die einzelnen Personen, die Haftbedingungen und -gründe, die Funktion des Zuchthaues hinsichtlich der Vernichtungs- und Konzentrationslager sowie über die Hinrichtungen von Häftlingen. Die Schüler bekamen in Gruppen die Gelegenheit, sich näher mit fünf einzelnen Personen und ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Neben einer Kurzbiographie sollten sie noch weitere Informationen heraussuchen sowie eine Quelle in der Ausstellung auswählen. Dabei setzten sie sich mit unterschiedlichen Inhaftierungsgründen und den menschenunwürdigen Methoden und Mitteln des NS-Regimes auseinander, die in der Abschlussrunde diskutiert wurden.

Am Mittwoch begann der Tag mit einem Einfangen der Stimmung der Schüler auch in Bezug auf den vorigen Tag mit Hilfe von Klebepunkten. Nach einer kleinen Einführung in das Thema DDR/BRD konnten die Schüler wieder aktiv ihr Vorwissen einbringen zu bestimmten Begriffen wie „Mangelwirtschaft“, „FDJ“, „Republikflucht“ und vieles mehr. Vieles konnten die Schüler bereits mit Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern in Verbindung setzen. Es folgte eine Führung durch die Ausstellung, in der die Schüler etwas über den Übergang vom Zuchthaus im NS zum Zuchthaus der DDR-Zeit sowie über die Haftbedingungen. -gründe und das Verhältnis zwischen Wärter und Inhaftierten erfuhren.

Im Mittelpunkt stand die Auseinandersetzung mit der Biografie des Musikers Klaus-Steffen Drenger – oder in den 1980er Jahren der Magdeburger Punkszene auch als „Shanghai“ bekannt. Er spielte in der Band „Vitamin A“, die vor allem in Kirchen in der ganzen DDR aufgetreten ist. 1986 erhielten alle Punks im Zuge der Arbeiterfestspiele die Auflage, in ihren Wohnungen zu bleiben oder die Stadt zu verlassen – Drenger entscheidet sich für das Gegenteil und lädt Punks nach Magdeburg ein. Diese Einladungen gelangen zur Staatssicherheit. Die Folge: Festnahme, Unterbringung in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in Magdeburg. Er wird unter anderem wegen „versuchter Zusammenrottung“ und „öffentlicher Herabwürdigung“ (bezogen auch auf die Songtexte) zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Eine Verurteilung also wegen einer nicht stattfindenden Versammlung und wegen… Musik. Die Schüler setzten sich ausführlich mit seinem Leben und seiner Musik mit Hilfe von Interviews, Bildern, das Hören seiner Musik und Ausschnitten aus der Akte des MfS auseinander. Dadurch bekamen sie einen Einblick in die Überwachung des MfS über die Menschen, aber auch in die Punkszene, die vor allem in der DDR sehr klein gehalten wurde. Im Austausch über die Eindrücke und Erkenntnisse diskutierten die Schüler auch, ob jeder Punk auch wirklich Punk war oder man eine Gruppe gesucht hat, die einem die Möglichkeit des Protests gegen den Staat bot.

Wie verzweifelt Menschen hinsichtlich der fehlenden Freiheiten in der DDR waren, konnten die Schüler am Donnerstag im Concerthaus Kino beim Schauen des Films Der Ballon sehen. Der Film basiert auf wahren Ereignissen und stellt eine Rezeption der Flucht zweier Familien aus Thüringen im Jahr 1979 an der innerdeutschen Grenze mit einem selbstgebauten Heißluftballon dar.  Unter ständiger Beobachtung der Stasi müssen die Familien den Ballon heimlich bauen und sich auf die gefährliche Reise vorbereiten. Als sie endlich starten, beginnt ein nervenzerreißendes Rennen gegen die Zeit und die strengen Kontrollen der DDR-Grenztruppen. Der Film erinnert ein bisschen daran, dass die Sehnsucht nach Freiheit und das Streben nach einem besseren Leben stärker sind als jegliche Hindernisse. Er ist ein Zeugnis der menschlichen Entschlossenheit und des Überlebenswillens in einer Welt voller Unterdrückung und Gefahr. Die Familien schaffen es in den Westen. Und wenn nicht? Auch sie hätten zu einer Zuchthausstrafe verurteilt werden können – für den Wunsch nach Freiheit.

Und mit diesem Ende gehen die Schüler und wir nach Hause…die Winterferien stehen an. Man fährt weg. In den Westen vielleicht? Einfach so. Man geht demonstrieren. Einfach so. Man sagt seine Meinung. Einfach so. Die Liste ließe sich noch weiter fortführen, aber zeigt doch, dass wir unsere Freiheiten schätzen sollten und für jene einstehen sollten, die noch heute um Menschenrechte und die Freiheit kämpfen müssen. 

Marie Schulze (PSS)

 

Bild zur Meldung: Bericht fächerübergreifenden Unterrichtstage 30.01.-01.02. - Klasse 9c

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FuW 9c 2024 (04.03.2024)