Unsere ganz persönliche Reise zu Itamar Wexlers „The Voyage“ (Israel, 2021)
22 Jugendliche des 11. Jahrgangs des von Saldern-Gymnasiums Europaschule hatten die Möglichkeit, in ihrer fächerübergreifenden Unterrichtswoche (27.-31.1.25) Gast in der Begegnungsstätte Schloss Gollwitz sein zu dürfen. Intensiv setzten wir uns mit der „Verfolgung, Flucht und Euthanasiemorden in Nazideutschland“ auseinander.
In drei Workshops, die täglich und thematisch in der Kleingruppe wechselten, gaben uns die Mitarbeitenden der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (GHWK, Berlin) sowie der hiesigen Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde für die theoretische und praktische Erarbeitung dieser komplexen historischen Thematik Raum.
Die Perspektiven von Opfern und Tätern spielten eine große Rolle, ebenso schritten wir die Etappen der perfiden Machtmechanismen in Gesetzesauszügen oder Aktennotizen ab. Wir wollten begreifen, wozu Menschen in den 1930er und 1940er Jahren in unserer Heimat und ganz Deutschland fähig waren, was die Mehrheitsgesellschaft tat und eben auch, worauf sie nicht reagierte. Wir stellten uns diverse Fragen, wie z. B. „An welchem Punkt der nationalsozialistischen Regimes wärst du geflüchtet?“ oder „Hättest du aktiv eingreifen können?“
Eine weitere Betrachtungsweise konnten wir zum Workshop-Thema „Die Geschichte der Erinnerungskultur an die Shoah in Israel“ erlangen. Welche Bedeutung hat Yad Vashem, die Internationale Holocaust Gedenkstätte (Jerusalem), im kollektiven Gedächtnis in Israel? Welche Gedenktage begehen die Israelis? Schließlich wir waren zum Holocaust-Gedenktag am Nicolaiplatz vor einer Woche (27.01.) mit einer Gruppe zu Gast. Welche Bedeutung verbirgt sich hinter „Zikaron BaSalon“? Wir erhielten so viele Antworten auf Fragen, die wir am Beginn unserer „Gollwitz-Reise“ wohl gar nicht hatten.
Begleitet wurde unsere Projektwoche von einem erfahrenen Medienpädagogen. James zeigte vier absolut interessierten und aktiven Mädchen, wie mit dem eigenen Smartphone ein Film zu unserer Arbeit entstehen kann. Kameraperspektive, -einstellung, Ton-/Licht mit ergänzendem Equipment, Interviewführung und vorheriger Sequenzplanung spielten eine Rolle, ohne dabei die eigene Kreativität und das jugendliche Bauchgefühl außer Acht zu lassen.
Der Höhepunkt zeichnete sich durch die Begleitung des Israelis Itamar Wexler (Jahrgang 1951) aus. Er selbst war innerhalb des Hinterfragens seiner Familiengeschichte auf Ungereimtheiten zum Verbleib seiner Großmutter Sonia gestoßen. Er forschte, führte unzählige Gespräche, fand u.a. eine Spur im Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem: Einen Hinweis auf ihren Tod! In der Nähe von Hamburg, sie war in den 1930ern wegen einer psychischen Erkrankung in einer dortigen Nervenheilanstalt, wurde sie im Zuge der sogenannten T4-Tötungsanstalt 1940 in Brandenburg/Havel ermordet! Eine beeindruckende Reise – „The Voyage“ – bildet als Dokumentarfilm in ca. 70 Minuten eine grausame Odyssee ab, welche Jüdinnen und Juden unfreiwillig antreten mussten. Wir blieben mit einer Achterbahn der Gefühle zurück – und hatten dann Gelegenheit, das Gespräch mit Itamar zu suchen, unsere Erkenntnisse zusammenzuführen, die intensive Projektwoche ließen wir mit allen Akteuren Revue passieren.
Dies alles wird uns noch lange bewegen, diese Lernprozesse lassen sich durch den „normalen Schulalltag“ nicht so intensiv anschieben, wir sind tief bewegt und befinden uns auf unserer ganz persönlichen Reise… Dies ist uns bewusst!
Ausdrücklich sei hier für die großzügige Vollfinanzierung durch die Stiftung Begegnungsstätte Schloss Gollwitz, der Bundeszentrale für politische Bildung sowie der F. C. Flick-Stiftung (Stiftung für Toleranz und Völkerverständigung, Potsdam) gedankt. So ein großartiges Bildungsgeschenk nutzen zu dürfen, ehrt uns sehr und bleibt uns als Schulgemeinschaft in Erinnerung! Wir danken ebenso stellvertretend Madlen und Elad vom GHWK, Christian von der Euthanasie-Gedenkstätte vom Nicolaiplatz, aber auch dem gesamten Team von der Begegnungsstätte Schloss Gollwitz! Annika, du bist das geborene Organisationstalent! Danke auch an Frau Dr. Helbig für diese intensive Zeit! Unser Dank gilt ebenso meinen Kolleginnen Frau Kuleßa und Frau Voigt, die uns begleiteten.
Sabine Baum, betreuende Deutsch- und Geschichtslehrerin, auch im Namen der Jugendlichen des Grundkurses 11 Deutsch
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